| Ausgrenzung im Gesundheitssystem
Die Medizinpädagogin Christin Beschorner hat untersucht, wie obdachlose Menschen in Notaufnahmen behandelt werden. Spoiler: nicht sonderlich gut. Ärzt:innen und Pflegekräfte müssen sich besser auf diese Patient:innengruppe einstellen.
Hinz&Kunzt: Sie haben internationale Studien zu Obdachlosen in Notaufnahmen ausgewertet, weil es hierzulande kaum Informationen dazu gibt. Ihre Recherchen bestätigen, was Sozialarbeiter:innen schon lange beklagen: In Notaufnahmen werden Obdachlose vielfach diskriminiert. Wie äußert sich das?
Christin Beschorner: Dass obdachlose Menschen ausgegrenzt werden, ist ein gesellschaftliches Problem, das leider auch vor unserem Gesundheitssystem nicht Halt macht. Es gibt Studien, die zeigen, dass ihnen nicht richtig zugehört wird oder sie wegen ihres Aussehens vorschnell beurteilt werden. Eine Studie berichtet von einer jungen obdachlosen Frau, der unterstellt wurde, dass sie eine Prostituierte ist, weil sie auf der Straße lebt. Man muss aber sagen, dass nicht alle obdachlosen Patient:innen in Notaufnahmen solche Erfahrungen machen, es gibt auch oft Begegnungen auf Augenhöhe.
Hinz&Kunzt-Verkäufer:innen berichten uns immer wieder, dass sie trotz Schmerzen vom Krankenhaus weggeschickt werden. Was läuft da schief?
In Notaufnahmen muss jede behandlungsbedürftige Person versorgt werden, ob obdachlos oder unversichert spielt dabei keine Rolle. Aber in Notaufnahmen müssen Ärzt:innen innerhalb kürzester Zeit entscheiden, was ein akuter Notfall ist. Da werden standardisierte Fragen gestellt, das Gespräch wird oft unterbrochen. Lebensbedrohliche Fälle haben immer Vorrang. Was bei der Anamnese oft unterschätzt wird: Obdachlose Personen haben häufig mehrere gesundheitliche Probleme, neben körperlichen auch psychische. Not hat ja auch mit Angst und Überforderung zu tun. Wenn eine Sprachbarriere dazu kommt, wird es noch schwieriger. Dolmetschende könnten per Videocall helfen, aber da fehlen oft noch passende Strukturen.
|